Schweizer Frauen gegen U15 FC Luzern: Wie aus dem letzten Jahrhundert
Die Schweizer Frauen verlieren 1:7 gegen ein U15-Jungsteam. Auf Social Media ist das Beweis genug: Frauen können halt keinen Fußball. So ein Quatsch.

E igentlich war es nicht für die Öffentlichkeit bestimmt, das Testspiel der Schweizer Frauen-Nati gegen die U15-Jungs des FC Luzern. Doch es reichte ein Tiktok-Video eines Spielers wenige Tage später und das Ereignis ging viral. Nach nur wenigen Stunden hatte der Post schon 70.000 Aufrufe und über 100 Kommentare.
Da half auch nicht mehr, dass besagter U15-Spieler seine Fotos und Videos mit den Superstars Alayah Pilgrim und Alisha Lehmann wieder vom Netz nahm. Eine Meinung zum Ergebnis des Probespiels hatte bis dahin mittlerweile jeder, denn die Schweizer Frauennationalmannschaft hatte ja tatsächlich 1:7 gegen ein paar kickende Teeniejungs verloren. Lach-wein-Emoji. Endlich kommt ans Licht, was doch ohnehin alle insgeheim wissen: Frauen können einfach nicht Fußball spielen.
Endlich wieder ein Beweis dafür, dass Frauenfußball kein ernst zu nehmender Sport ist. Lächerlich geradezu. Dass Profifußballerinnen eh kein Recht darauf haben, mehr Gehalt zu fordern, geschweige denn auf die Gender-Pay-Gap im Fußball aufmerksam zu machen. „Nächstes Mal gegen die U7 spielen, dann wird’s spannender“, heißt es unter einem Post der Spielerin Alisha Lehmann. „Mein Sohn ist in der U11, falls ihr nach einem Coach sucht“, schreibt der Nächste. Die Verfasser sind alles sicherlich selbst Spitzenfußballspieler, deren männliches Talent leider nie entdeckt wurde.
Klar, man könnte natürlich fragen: Wen interessieren schon die misogynen Kommentare von irgendwelchen frustrierten Leuten im Netz? Der Schweizerische Fußballverband versucht das Ganze möglichst sachlich abzumoderieren. Man habe das Testspiel nicht bewusst verschwiegen, solche Trainingsspiele gegen Juniorenteams seien laut Mediensprecher „nicht unüblich“.
Aussagen wie aus dem letzten Jahrhundert
Außerdem habe es vor dem Spiel gegen den FC Luzern schon zwei weitere Testspiele gegen männliche U15-Teams gegeben. Ergebnisse: eine 1:2-Niederlage und ein 2:1-Sieg. Dass das jetzt ein Beweis dafür sei, dass Frauen doch wieder einigermaßen Fußball spielen können, war keine Thema in den Kommentarspalten der Eidgenossen. Weil es genauso ein Quatsch ist, wie ihnen ihr Können abzusprechen, weil die Schweizer Nationalmannschaft mal in einem Testspiel hoch verliert.
Man beachte: ein Spiel, in dem es um nichts geht, das als Trainingseinheit mit Wettkampffaktor angedacht ist, nicht mehr und nicht weniger. Doch wenn dabei Frauen gegen Männer spielen, dann geht es in den Köpfen vieler Menschen gleich nur um eines: den Kampf der Geschlechter.
„Wissenschaftlich ist erwiesen, dass Frauen im Fußball gegen Männer einen sehr schweren Stand haben“, schreibt eine Schweizer Boulevardzeitung. Eine Aussage, wie aus dem letzten Jahrhundert. Schließlich sei „im Schnitt ein Frauenspiel um ein Drittel langsamer als ein Männerspiel“. Das größere Tempo im Männerfußball liege „schlicht an der größeren Muskelmasse, die Männer ab der Pubertät aufbauen“.
Dass es trotzdem viel Arbeit und Talent erfordert, um überhaupt auf Profiniveau spielen zu können – sowohl als Mann als auch als Frau – und dass es zusätzlich auch um Taktik, Mannschaftsstärke, psychologische Faktoren und gute Nachwuchsförderung geht, rückt alles in den Hintergrund.
Nicht nur im Fußball
Es scheint nur noch um eines zu gehen: Beweise, dass Männer besser sind. Bestimmten, wohl von Minderwertigkeitskomplexen getriebenen Leuten scheint, das eine gewisse Befriedigung zu geben.
Es zeigt zudem den gesellschaftlichen Stellenwert der Frauen im Sport. Nicht nur im Fußball, auch in vielen anderen Sportarten. Frauen, die gegen Männer antreten, scheinen immer die weltweite Legitimation des Frauensports verteidigen zu müssen.
Die Tennisspielerin Billie Jean King gewann übrigens 1973 den legendären „Battle of the Sexes“ gegen Bobby Riggs. Zum Glück gab es damals noch kein Tiktok.
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